Hilmar Siebert wurde 1966 in Bagdad geboren. Sein Vater arbeitete als Bauingenieur, und im Alter von sechs Jahren zog die Familie nach Deutschland. Schon früh stellte er sich grundlegende Fragen über das Leben – und ein kindlicher Wunsch war es, bei einem Kampfkunstmeister zu lernen und zu verstehen, wie man sich selbst wirksam verteidigt.
1973 begann er mit Judo. Die Idee, mit Technik körperliche Unterschiede auszugleichen, faszinierte ihn. Mit zwölf Jahren kam er durch seinen Bruder zum Stockkampf – und erkannte sofort das Potenzial, das in einem einfachen Gegenstand steckt: Ein Stock kann in einer Auseinandersetzung alles verändern. Körpergrösse und Kraft wird mit einem Stock sehr stark relativiert und ausgeglichen.
In den 1980er-Jahren begegnete Hilmar philippinischen Kampfkunstmeistern wie Ernesto und Remy Presas sowie J. Cui Brocka, die Eskrima nach Deutschland brachten. Er trainierte verschiedene Stile, darunter Modern Arnis und Combat Arnis. Parallel zu Schule und Bankausbildung arbeitete er als Türsteher – eine Erfahrung, die ihm den Unterschied zwischen sportlichem Kampf und realer Gewalt drastisch vor Augen führte.
Kampfkunst und Selbstverteidigung sind zwei grundverschiedene Welten. Während Kampfkunst oft von Regeln, Traditionen und Ritualen geprägt ist, bedeutet Selbstverteidigung: Überleben – unmittelbar, intuitiv, kompromisslos. In dieser Zeit stellte sich Hilmar die zentralen Fragen im Leben: Wer bin ich? Was ist meine Berufung? Diese Fragen und anschliessenden Erkenntnis fiel in eine persönliche Krise mit der Entscheidung sein Leben zu verändern. Hilmar begann eine Ausbildung in Gestalttherapie und -pädagogik (ab 1995) und fand seine Berufung in der Arbeit mit Menschen. Die Kampfkunst blieb ein zentraler Bestandteil seines Lebens – zunehmend als holistische Methode in der psychosozialen Arbeit.
1996 nahm Hilmar an der Weltmeisterschaft im Stockkampf auf den Philippinen teil – und gewann. Dort begegnete er Dr. Go, einem Meister des Balintawak. Dessen Können stellte alles infrage, was er bis dahin über Stockkampf zu wissen glaubte. Er wurde Dr. Gos Schüler, lebte und trainierte mit ihm auf den Philippinen – eine prägende Zeit. Reflexe, Wahrnehmung, Atmung, Distanzgefühl: alles wurde neu geschult. Balintawak wurde für ihn mehr als Kampfkunst – es wurde ein Weg der Selbsterkenntnis und persönlichen Entwicklung. Von Dr. Go wurde er zum Master ernannt, und etwa 19 Jahre nach ihrer ersten Begegnung schliesslich zum Grandmaster – mit dem Auftrag, Balintawak als Weg und Methode weiterzugeben und zu verbreiten.
1997 begann er das Studium der Sozialen Arbeit und arbeitete mit psychisch belasteten Jugendlichen in einem Jugendheim. Dort zeigte sich: Viele junge Menschen haben kaum Zugang zu ihrem Körper. Hilmar entwickelte eine Methode, in der Kampfkunst gezielt pädagogisch und therapeutisch eingesetzt wird. Seine Diplomarbeit trug den Titel: „Heilung durch Kampf – der Einsatz asiatischer Kampfkunst in der Sozialen Arbeit“.
Ab 2000 arbeitete Hilmar mit straffälligen Jugendlichen in Baselland, später als Dozent an Hochschulen, Fachhochschulen und Höheren Fachschulen mit Seminaren wie „Angst nutzen“ und weitere. Die Verbindung von Kampfkunst, Selbsterfahrung und Theorie prägte seine Arbeit nachhaltig.
Zwischen 2002 und 2019 war er in der historisch tief verwurzelten Jugendinstitution in Basel Stadt tätig. Dort führte er Gruppenangebote mit Kampfkunstschwerpunkt ein – mit positiven Effekten auf Selbstwahrnehmung, Beziehungsgestaltung und emotionale Regulation. Parallel absolvierte er ein Masterstudium „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ an der Humboldt-Universität Berlin (Abschluss 2011).
Dank seiner Ausbildung zum ADHS-Coach (2014) konnte er in seiner Abschlussarbeit die erfolgreiche und nachhaltige Begleitung eines Jugendlichen mit ADHS durch gezieltes Kampfkunsttraining dokumentieren. International ist Hilmar auf verschiedenen Seminaren (Grandmaster Seminar Washington DC, Grandmaster Seminar Phoenix AZ und weitere)
Seit 2019 arbeitet Hilmar in der Schulsozialarbeit und leitet seit 2020 eine Privatschule im Raum Basel. Viele der Jugendlichen dort bringen massive schulische und biografische Brüche mit. Klassischer Unterricht reicht oft nicht aus – deshalb etablierte er Kampfkunst als Schulfach: als Brücke zu Motivation, Selbstvertrauen und Beziehungsarbeit. Diese Angebote entstanden stets im direkten Kontext seiner praktischen Arbeit.
2024 begann er gemeinsam mit einem Team den Aufbau eines Unternehmens, das genau diese Erfahrungen strukturiert weiterträgt: eine praxisnahe, wirkungsvolle Verbindung von Körperarbeit, Kampfkunst, Pädagogik und Therapie – für Fachpersonen ebenso wie für Betroffene.